Die Geburt von Fotografie, Massenmedien und Branding
- Roger Welti
- 27. Apr. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Apr. 2020

Ein tolles Buch hat mir das 19 Jahrhundert auf ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Weise näher gebracht. Und ich habe dabei einiges über die Anfänge von Medien, Kommunikation und Werbung erfahren.
In Zeiten wie diesen (Corona hält die Welt im Griff) sind die Möglichkeiten für Zerstreuung und Belustigung ja arg begrenzt. Was liegt da näher, als wieder mal etwas mehr zu lesen? Also habe ich dieses dicke Buch vom Regal geholt, das ich vor einiger Zeit gekauft hatte, dann aber vor seiner Lektüre zurückgeschreckt war. Kein Wunder bei rund 1300 Seiten!
Abtauchen zur Quelle der Moderne
Gut, habe ich es nun doch noch gewagt, gemeinsam mit Jürgen Osterhammel in seine «Verwandlung der Welt» ein- und damit zum Ursprung so vieler Dinge abzutauchen, die in unserer Zeit selbstverständlich sind – und selten hinterfragt werden. Osterhammel beleuchtet in angenehm unakademischer Sprache Themen wie Mobilität, Städtebau, Sklaverei, Konsum, Seuchen, Nationalismus, Welthandel und vieles mehr. Er blickt dabei auf alle Kontinente und in alle gesellschaftlichen Schichten. Und als Leser merken wir: Viele unserer heutigen Herausforderungen sind (mindestens) 200 Jahre alt. Und viele Weichen dafür, wie wir heute leben, wurden damals gestellt.
Massenmedien und Pressefreiheit
Wer sich für Kommunikation und Werbung interessiert, findet in «Die Verwandlung der Welt» einige Schmankerl. So war das 19. Jahrhundert das «Zeitalter konkurrenzloser Dominanz der Presse». Mitte des Jahrhunderts wurde in ersten Staaten die Pressefreiheit eingeführt. Die 1830er Jahre erlebten die Geburt der «penny press»: Zeitungen für die Massen, billig, auf schlechtem Papier gedruckt, ohne Börsenkurse, dafür mit umso mehr Polizeiberichten und Sensationsgeschichten – «Blick» und »20 Minuten» lassen grüssen!
Fotografie und Marketing
Das 19. Jahrhundert erfand auch die Aufzeichnung von Menschen und Dingen in Form von Fotografie. Mitte des Jahrhunderts gab es erstmals überhaupt persönliche Prominenz: Herrscher und politische Führer liessen sich fotografieren und wurden auf Bildern wiedererkannt oder fanden den Weg in Wohnzimmer ihrer Anhänger.
Veränderte Ess- und Konsumgewohnheiten und die Möglichkeit der Massenproduktion von Gütern führten ab dem 19. Jahrhundert auch zu neuen Formen der Vermarktung. Hatten Verbraucher bis dahin selten gewusst, wo ein Produkt herkam, prägten sie sich nun die Namen und Bildsymbole von Zigaretten, Seifen, Dosensuppe oder Likör ein. Branding war geboren und mit ihm eine differenziert Patentgesetzgebung. Nichts verkörperte diese wirtschaftsgeschichtliche Wende so eindrücklich wie der braune, klebrige Belebungstrank, den der Apotheker John Styth Pemberton am 8. Mai 1886 in Atlanta zum ersten Mal zusammenrührte – Coca Cola.
Jürgen Osterhammel: «Die Verwandlung der Welt». C.H.Beck 2016

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