Influencer ersetzt Nachrichtensprecher
- Roger Welti
- 21. Okt. 2019
- 2 Min. Lesezeit

Der Umbau der Schweizer Medienöffentlichkeit ist in vollem Gange. Der Bedeutungsverlust klassischer Informationsmedien muss auch in der Unternehmenskommunikation zum Umdenken führen.
Seit zehn Jahren untersucht das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) in seinem «Jahrbuch Qualität der Medien» die Entwicklung der Mediennutzung. Die Ausgaben 2019 dieser Studie stellt einen tiefgreifenden Wandel der Mediennutzung fest, der jeden Absender von Informationen zum (Um)Denken anregen sollte.
Die Einen depriviert, die Anderen deprimiert
Das fög verzeichnet einen wachsenden Teil der Bevölkerung, der durch weit unterdurchschnittlichen Newskonsum auffällt. «News-Deprivierte» nennen die Forscher diese Gruppe, die in den Redaktionen zunehmend für deprimierte Stimmung sorgen dürften. 36% der Gesamtbevölkerung und 56% der 16- bis 29-Jährigen gehören heute schon in diese Kategorie. Sie sind gemäss fög mit «relevanten Hardnews unterversorgt» und interessieren sich kaum für regionale und nationale Ereignisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Von Druckerzeugnis zu Plattform
Diese Entwicklung geht einher mit einer fundamentalen Bedeutungsverschiebung bei den Informationskanälen. Der Nutzungsanteil (gedruckter) Abonnementszeitungen ist in den letzten zehn Jahren von 56% auf 32% gesunken. Dagegen haben Online-Informationsquellen ihre Nutzungsanteile in der gleichen Zeit von 52% auf 61% gesteigert. Und: Es zeigt sich gemäss den Forschenden eine fortschreitende «Plattformisierung» der Mediennutzung. Mit einem Anteil von 70% sind Social Media heute der am weitesten verbreitete News-Kanal.
Fun statt facts
Wenn alle auf Social Media sind, dann müssen die erwähnten «relevanten Hardnews» halt auch dahin! So einfach scheint das Rezept aber wohl nicht zu sein. Denn News-Konsum im herkömmlichen Sinn betreiben die Social-Media-Nutzer meist nur nebenbei. 63% von ihnen sind vor allem fürs «Socializing» und 39% wegen der «Unterhaltung» dort anzutreffen.
Infotainment 2.0
Es scheint, als müssten harte Fakten in Unterhaltung verpackt werden, um auch von den «News-Deprivierte» angenommen zu werden. Mit einem Beitrag in der Sendung «10 vor 10» ist es damit heute aber nicht mehr getan. Zeitgemässes Infotainment 2.0 bewegt sich in Sozialen Medien. Und vermittelt wird es auch nicht mehr von Nachrichtensprechern, sondern von den Usern selber. Das fög bringt es auf den Punkt: «Was früher angesehene Journalisten oder die Anchormen der abendlichen Fernsehnachrichten in Bezug auf vertrauenswürdige News-Vvermittlung waren, sind in den Social Media heute Influencerinnen und Influencer.»
Social-Media-Arbeit neben Medienarbeit
Was heisst das für die Unternehmenskommunikation? Mit Medienmitteilungsversand und Beziehungspflege zu Schlüsseljournalisten allein ist längst kein Staat mehr zu machen. Wer erfolgreich und überzeugend kommunizieren will, muss sich an den Gewohnheiten seiner Zielgruppen ausrichten und (unter anderem) neben guter Medienarbeit auch professionelle Social-Media-Arbeit leisten.
Hier gehts zum «Jahrbuch Qualität der Medien 2019».
Bildquelle: ZDF Mediathek
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